Geschichte des Tagolf

Die Geschichte des Tagolf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors des Romans „Tagolf der Siedler“
Der Tailfinger Fasnets-Narren bat mich um eine schriftliche Stellungnahme zu den wissenschaftlichen Grundlagen meines 1993 erschienenen, historischen Romans „Tagolf der Siedler“. Eine Bitte, der ich hiermit gerne nachkomme. Zunächst zu meiner Person: 1965-1971 Studium der Anglistik und Geschichte in Tübingen, 1971-1975 Dissertation, seit 1986 Stadtarchivar von Albstadt, seit 2009 im Ruhestand. Während meines Studiums absolvierte ich unter vielen anderen auch ein Hauptseminar in Alter Geschichte (über das römische Militärwesen unter Kaiser Diokletian), und ein weiteres in Altenglisch (über Beowulf). Aus der altenglischen Seminararbeit entwickelte ich meine Zulassungsarbeit: „Die Funktion des Schicksals in Beowulf“. Damit war mir ein ertragreicher Zugang zur Geisteswelt der
Germanen gegeben. Von daher ließ ich mich zu den vielen Alliterationen im Text inspirieren. Nun zum Roman: Die Handlung dreht sich um Tagolf, den rein sprachlich erschlossenen Gründer von Tailfingen. Es ist bekannt, dass die Orte auf -ingen alemannische Gründungen sind, und dass die
Ortsnamen jeweils den Namen des Gründers enthalten. Auf Tagolf weisen die Oberamtsbeschreibung von 1880, die Kreisbeschreibung von 1960/61 und das Tailfinger Heimatbuch von 1953 hin, und in der Folge zahlreiche andere Veröffentlichungen. Aus der Feder des Heimatdichters Carl Metzger stammt außerdem ein Theaterstück über Tagolf. Zudem gibt es in Tailfingen eine Tagolf-Straße. Zeitlich spielt die Handlung in jenen Jahren, als die Römer sich nach 260 aus Südwestdeutschland zurückzuziehen begannen. Deshalb kommen neben den Alemannen auch Römer vor, oder genauer: vor allem Aurelia, die sich der Held der Geschichte zur Frau nimmt. Solches dürfte meiner Einschätzung nach nicht außergewöhnlich gewesen sein,
denn quer durch die Weltgeschichte ist zu beobachten, dass im Verlauf von Kriegen die Sieger sich mit den Frauen der Besiegten verbinden. Es war mir wichtig, das Aufeinanderprallen der Kulturen zu thematisieren, wie es sich im Zueinander von Tagolf und Aurelia zeigt. Dazu habe ich tief in die Kiste der Mentalitätsgeschichte gegriffen, allen voran hat mir Norbert Elias dabei viel gegeben. Zu nennen wären außerdem Mentalitätshistoriker wie Michel Foucault, Robert Muchembled, Emmanuel LeRoyLadurie und Carlo Ginzburg, die meine Sicht der Dinge wesentlich prägten. Um die Szenerie so authentisch wie möglich zu gestalten, waren „Die Römer in Baden-Württemberg“ wie auch „Die Alemannen in Württemberg“ meine ständigen Ratgeber. Dazu kamen noch zahlreiche weitere Veröffentlichungen zur Sachkultur der Germanen und zu ihrer Archäologie. Die weitere und nähere Umgebung Albstadts war mir ohnehin bekannt. Eine Schlüsselrolle in dem Roman spielt der römische Gutshof bei Stein/Hechingen, über den ich mich ausgiebig informierte, er ist ja nicht allzu weit von Albstadt entfernt. Was die konkreten Lebensumstände angeht, war für mich auch „Der gelbe Wolf“, nützlich, ein Alemannen-Roman von Peer-Uli Faerber. Der „Gelbe Wolf“ spielt in meinem Roman denn auch eine kleine
Nebenrolle. An der Geschichte des Anaximarchos von Samothrake (Kapitel 19) hatte ich große Freude, konnte ich hier doch auf locker-leichte Art meine ganze klassische Bildung unterbringen.
Dr. Tadäus Lang